Was für ein Meisterschaftsfinale im chilenischen Fußball: Elf Tore in zwei Spielen, Colo-Colo siegt mit 4:2, doch für den Rekordmeister bleibt am Ende nur der undankbare zweite Platz. Die Albos setzten sich am Sonntag im letzten Saisonspiel zwar vor heimischem Publikum gegen Concepción durch, konnten den Drei-Tore Vorsprung auf den Spitzenreiter Universidad de Católica aber nicht mehr aufholen. Durch ein 5:0 gegen Absteiger Everton Viña del Mal sicherten sich die Cruzadores zum zehnten Mal den Titel. Die Fans der Blau-Weißen feierten die Meisterschaft bis in die Nacht in einem Fahnenmeer auf der Plaza Italia, nur wenige Blöcke von unserer Wohnung entfernt.
Wir entschieden uns, Colo-Colo beim letzten Spiel anzufeuern. Die Zuschauerkulisse im Estadio Monumental, dem schönsten reinen Fußballstadion Santiagos, war angesichts der Brisanz der Partie jedoch mehr als enttäuschend. Statt der erwarteten 40.000 Hinchas zog es nur gut 15.000 zum Endspiel in den Stadtteil Macul. Mag sein, dass Colo-Colo in den letzten Wochen einige Sympathien verspielt hat. Der Ex-Tabellenführer schaffte es immerhin, einen Sieben-Punkte-Vorsprung auf die Verfolger noch aus der Hand zu geben...
Die Ultras der Garra Blanca sorgten dennoch für prächtige Stimmung im eckigen Rund. Bei rund 30 Grad schmorten die Fans in der Sonne und ließen es sich nicht nehmen, zum Anpfiff ihr traditionelles Pyro-Feuerwerk abzubrennen. Auch die Mannschaft legte einen furiosen Start hin und ging durch Tore von Miralles (11.) und Cámpora (45.) verdient in Führung. Von unseren Plätzen auf der Haupttribüne aus hatten wir perfekte (und vor allem schattige) Sicht aufs Spiel. Ein Doppelschlag durch Rabello und Cámpora brachte das Team von Trainer Diego Cagna kurz nach der Pause sogar mit 4:0 in Front.
Was auf dem Platz passierte, war bald jedoch nur noch Nebensache. Denn der sichere Sieg von Católica im zweiten Spiel des Abends und damit die zerstörte Hoffnung auf ein „Wunder von Santiago“ ließ die Fans kurz nach der 70. Minute vollkommen ausrasten, woraufhin fünfzig gepanzerte Carabineros den Block der Garra Blanca stürmten und die Fans unter Knüppeleinsatz in die Ecken der Tribüne zusammenpferchten. Die berühmt-berüchtigten Colo-Colo-Anhänger wiederum traten und knüppelten mit Fahnenstangen auf die Polizisten ein und zündeten einen Bengalo nach dem anderen ab. Das Spiel musste wegen der Ausschreitungen im Fanblock mehrfach unterbrochen werden.
Dass die Gäste aus Concepción zwischenzeitlich zwei Tore erzielten – unter frenetischem Jubel der 20 mitgereisten Fans – nahm kaum noch jemand zur Kenntnis. Und nach dem Abpfiff gab es statt der großen Feier dann doppelt großen Frust. Da Santiagos Metro wegen eines Fahrerstreiks am Sonntag komplett geschlossen blieb, mussten alle Zuschauer mit dem Bus die Heimreise antreten. Bei aufgerissenen Türen, im Fahrtwind wehenden Flaggen und wilden Schlachtgesängen wurde so manche Colo-Colo-Trauer überspielt.
Wir fuhren in die Innenstadt, vorbei an den Autokorsos der Católica-Fans an der Plaza Italia, Richtung Alameda, wo vor unseren Augen einige Colo-Colo-Fans Autotüren von vorbeifahrenden Wagen mit blau-weißen Fahnen demolierten. Normalerweise reiht sich auf Santiagos sechsspuriger Hauptstraße Kneipe an Kneipe, diesmal hatten wegen erwarteten Ausschreitungen jedoch vorsorglich alle Restaurants dicht gemacht. Wir stilten unseren Hunger daher in einer Straßenschenke in Bellavista, wo der Fußball-Tag bei Chorrillana (Grillplatte mit Pommes, Ei und Zwiebeln) und Escudo-Pils aus der Literflasche auch kulinarisch ein furioses Ende fand.
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