Sonntag, 27. Februar 2011

Bolivianische Wüstensafari zwischen Himmel und Hölle: Im Jeep durch die Salar de Uyuni

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Weiß, soweit das Auge reicht. Eine meterdicke Salzschicht kristallisiert unter unseren Füßen und der Himmel spiegelt sich bis zum Ende des Horizonts im Wasser. Als wir an diesem Februarmorgen nach drei Tagen Jeep-Fahrt die der Salar de Uyuni, die „Weiße Wüste“ im Südwesten Boliviens, erreichen, scheint die Grenze zwischen Himmel und Erde zu verschwimmen. Das größte Salzfeld der Erde ist überflutet – ein surreales Bild.

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Mehrere hundert Kilometer sind wir von San Pedro de Atacama unterwegs, um hierher zu kommen. Unsere Wüstensafari im Offroad-Jeep – die Klassiker-Route von Chile nach Bolivien – führt uns über die Ländergrenze ins Altiplano-Hochland, hindurch zwischen aktiven Vulkanen, brodelnden Geysiren, regenbogenfarbenen Lagunen und faszinierenden Mondtälern. Es ist eine atemberaubende Mischung zwischen geklauten Landschaften aus Dali-Gemälden und extremen Höhen zwischen 4000 und 5000 Metern. Und genau dieser Mix macht die Tour zu einem besonderen Erlebnis – einem zwischen Himmel und Hölle.  
 
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~ Tag 1: Lagunen, Geysire und der Altiplano-Alptraum ~

 
Doro steht auf dem Dach seines Jeeps. Der rüstige bolivianische Senior schnürt die Rucksäcke fest, klettert von seinem Toyota Landcruiser herunter und schüttelt uns die Hand. Er wird für die nächsten drei Tagen unserer Wüsten-Guide sein und uns zusammen mit dem brasilianischen Brüderpaar Pedro und Joao sowie der Südkoranerin Ye Jin querfeldein durch die raue bolivianische Pampa kutschieren. Die Einreisestempel vom Grenzposten Hito Cajones sind noch nicht getrocknet, da sind wir bereits auf dem Weg zur Laguna Blanca, der ersten von drei Flamingo-Oasen auf unserem Weg an diesem heißen, strahlend sonnigen Vormittag des 31. Januar.
 
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Es geht immer weiter bergauf, die Symptome der Höhenkrankheit machen sich allmählich bemerkbar. Coca-Blätter-Kauen hilft dagegen nur noch bedingt. Doch für einen Augenblick sind die Kopfschmerzen vergessen, als wir auf fast 5000 Metern Höhe – dem höchsten Punkt der Tour – den vulkanischen Geysiren Sol de Mañana mit ihren kochend-zischenden Dampffontänen gegenüberstehen. Bereits davor liegen wir selbst im heißen Wasser: Entspannungspause unter schneebedeckten Gipfeln in den Thermalquellen von Polques.
 
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In einer Berghütte an der Laguna Colorada endet der erste Tag – bei Regen und bolivianischer Gemüsesuppe. Ein Spaziergang zum Aussichtspunkt des Sees, dessen einmaliges Ökosystem Heimat für Lamas, Vicuñas und mehrere tausend Flamingos ist, endet in völliger Durchnässtheit. Das könnte zum Ende-der-Welt-Gefühl in der Einöde irgendwo im Nirgendwo nicht besser passen.
 
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Am schlimmsten ist jedoch die darauffolgende Nacht, die sich aufgrund von Eiskälte, höhenbedingter Schlaflosigkleit und undefinierbaren Ganzkörperschmerzen die Bezeichnung Altiplano-Alptraum durchaus verdient hat. Die allgemeine Hypothese, dass für 50 Prozent der Reisenden diese Nacht die Längste ihres Lebens ist, wird diesmal mehr als erfüllt. Bis auf Corinna bekommt in unserer Reisegruppe keiner ein Auge zu. Selten war die Freude so groß, als um 6 Uhr bei völliger Dunkelheit endlich der Wecker klingelt...
 
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~ Tag 2: Im Tal der Riesenfelsen ~

 
Doro schmeißt den Jeep an, der Regen prasselt. Die Stimmung auf 4700 Metern ist auf dem Tiefpunkt, doch das morgendliche Tourprogramm beginnt vielversprechend. Hausgroße Felsen türmen sich rund um den Arbol de Piedra, einen „Baum aus Stein“ mitten in der Wüste.
 
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Auf spektakulären Riesenfelsen wie diesen herumzuklettern, bestimmt dem gesamten zweiten Tourtag. Im Valle de Rocas haben Wind und Wetter aus dem Gestein die merkwürdigsten Figuren geformt, sogar einen Anden-Condor. Und auf dem Weg von einer Altiplano-Lagune zur nächsten gilt es mehrfach, völlig außer Puste einen kleinen Aussichtspunkt zu erklimmen – das schweißtreibende Höhentraining ist im Preis inklusive.
 
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Nach schier endlosen Fahrten durch Canyons, Mondlandschaften und Oasen kommen wir am späten Nachmittag in Uyuni an, dem ersten Anzeichen von Zivilisation seit knapp anderthalbtägiger Reise. Die heruntergekommene Kleinstadt in Südwestbolivien lebt im Grunde nur von den Jeep-Touristen, die von hier aus Tag für Tag in die 25 Kilometer entfernte Salzwüste starten. Und auch wir bleiben nur mit diesem Ziel für eine Nacht im Ort, der trotz seiner staubigen Straßen und grauen Häuser gewissen Charme versprüht.
 
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Aymara-Frauen in Stofftracht und mit Melone prägen überall das Straßenbild. Zum ersten Mal bekommen wir einen Eindruck davon, wie sehr sich die bolivianische Bevölkerung von der chilenischen oder argentinischen unterscheidet.
 

~Tag 3: Die überflutete Salzwüste ~

 
Wasser und Wüste passen nicht zusammen. Es sei denn, es ist Anfang Februar und man steht in der Salar der Uyuni. Während das weltgrößte Salzfeld mit seinem knisternden Teppich aus weißen, sechseckigen Kristallen die meiste Zeit des Jahres völlig ausgetrocknet ist, bietet sich in der Regenzeit ein völlig anderes Bild…
 
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Mehrere Zentimeter hoch steht das Wasser auf einem Großteil des über 10.000 Quadratkilometer großen Areals, als sich unser Jeep an diesem Morgen den ersten Ausläufern der Weißen Wüste nähert. Doro fährt uns mitten hindurch – und es scheint, als würde sich das Auto wie von Geisterhand über einen riesigen See bewegen.

 
Die Wüste ist so groß, dass erst in weiter Ferne die Ausläufer der Anden und die umliegenden Vulkane zu sehen sind. Diese gefühlte Endlosigkeit, dieses Verschmelzen des Horizonts mit dem Wasser, lässt den Himmel so nah erscheinen, wie an nur wenigen anderen Orten auf der Erde. Als ich aussteige, fühlt es sich so an, als könnte ich einfach so über das Wasser laufen.
 
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An einzelnen Stellen, wo die weiße Schicht das Wasser überragt, versagt hingegen die räumliche Wahrnehmung – die perfekte Einladung für surreale Fotomotive.
 
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Die Menschen der Wüste wissen das in Unmengen vorhandene weiße Gold zu nutzen. Während die einen daraus Souvenirs meißeln oder mit Jod-Beigabe Speisesalz herstellen, bauen andere damit ganze Häuser. Mitten in der Wüste steht ein Hotel, dessen gesamtes Mauerwerk und ein Großteil der Einrichtung aus Salzblöcken besteht. Wer hier schlafen will, bezahlt das mehrfache einer Übernachtung in Uyuni. Wir verzichten. Doch der Ursprung der Redewendung „gesalzene Preise“ dürfte damit zweifelsfrei bestimmt sein.
 
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Samstag, 19. Februar 2011

Atacama: 27 in der Wüste


Es war ein Geburtstag auf dem Trockenen. Auf Schnee und Kälte musste ich in diesem Jahr verzichten. Dafür gab es Mojito am Lagerfeuer, Coca-Bonbons sowie einen spektakulären Sonnenuntergang im Valle de la Luna, sprühende Geysire auf 4300 Metern Höhe und ein Bad in der Schwerelosigkeit der Atacama-Salzseen – mitten im Januar, in der trockensten Wüste der Welt... 


Ich stehe am Morgen auf der Plaza de Armas von San Pedro, der nordchilenischen Oasenstadt am Rande der Wüste. Doch all das fühlt sich weder wie Chile an noch wie Ende Januar. Glühende Hitze liegt über dem orientalisch angehauchten Örtchen mit seinen Lehmziegel-Häusern im Adobe-Stil, als die Sonne langsam zum Zenit aufsteigt.


 


Corinna und ich schlendern durch die staubigen Gassen in Richtung der weißen Kirche, dem höchsten Gebäude des Dorfs. Wenig später sitzen wir in einem Bus, der uns direkt in die Wüste führt...

~ Valle de la Luna: Das Knacken im Mondtal ~


...und die beginnt gleich am Ortsausgang. Umgeben von Vulkanen fahren wir in eine ausgetrocknete Mondlandschaft mit gewaltigen Gesteinsformationen, die über Jahrtausende entstanden sind. Die Felsen im Valle de la Luna bestehen größtenteils aus Salz. Und als wir in einer der natürlich geschaffenen Höhle stehen, hören wir es bedrohlich knacken – durch die extremen Temperaturunterschiede dehnt sich das Salzgestein aus. Für die Wüstennomaden waren solche Höhlen über Jahrhunderte der einzige Unterschlupf vor der Hitze bei Tag und der Kälte bei Nacht. Hier stoppten sie, hier schliefen sie auf ihrem endlosen Weg durch die Einöde.










Kurz darauf klettern wir durch eine Felsspalte, die von einer der Höhlen nach oben führt. Ohne Taschenlampe – nur mit Hilfe des Kamerablitzlichts – tasten wir uns im Kriechgang durch die Dunkelheit der Salzgrotte. Und stehen einige Minuten sowie diverse blaue Flecken später auf der Spitze eines Berges, der uns zum ersten Mal in die Ferne der Wüste blicken lässt.



Doch es geht noch höher. Auf einer Felsspitze mehrere hundert Meter über dem Mondtal nähern wir uns dem Sonnenuntergang. Die Farben des Lichts tauchen die surreale Landschaft allmählich in rote, goldene und orangene Töne, die innerhalb von Sekunden immer intensiver werden, bis die Sonne irgendwann hinter dem Salzgebirge verschwunden ist. Ein unvergessliches Ende eines Wüstengeburtstags...



~ Atacama: Das Schweben im Salzsee ~

Am nächsten Tag geht es mitten hinein ins Zentrum der Wüste. Nach einer schier endlosen Fahrt über holprige, von Steppengräsern gesäumte Feldwege stehen wir am Rande der Salzwüste – dem Herzen der Atacama.


Wetterstationen haben hier noch nie eine messbare Menge Niederschlag registriert. An den umliegenden Vulkan-Gebirgen und im Altiplano-Hochland regnen sich alle Wolken ab. Die hiesigen Salzwasserseen, die einst Teil des Pazifiks waren, trockneten deshalb allmählich aus. Und so entstanden quer durch die Wüste  weiße Salzebenen. Man muss sie mit eigenen Augen gesehen, das Knistern unter den Füßen gespürt haben, um die Trockenheit der Atacama wirklich fassen zu können.


Doch das Wasser ist noch nicht ganz aus der Wüste verschwunden. Immer wieder finden sich kleine Oasen, wie die ojos del salar, die "Augen der Wüste". In diesen beiden runden, augenförmigen Wasserlöchern – daher der Name – am tiefsten Punkt der Wüste sammelt sich der wenige Regen aus den umliegenden Gebirgen.


Heute kann man darin baden – genauso wie in der Laguna Cejar. Mit seineem Salzgehalt von über 70 Prozent besitzt der Lagunensee noch mehr Auftriebskraft als das Tote Meer. Beim Schwimmen fühlt es sich tatsächlich so an, als würde man schweben. Da bietet es sich einfach an, sich in der Schwerelosigkeit  treiben zu lassen und durch die Füße hindurch den Sonnenuntergang zu beobachten.

~ El Tatio: Das Brodeln auf 4300 Metern ~

So früh hat der Wecker in den letzten Wochen noch nie geklingelt. Um 4 Uhr morgens stehen wir vor unserem Hostel und brechen in Richtung 4300 Meter Höhe auf. Dort oben, im Hochland der Atacama-Wüste, brodelt El Tatio, das höchstgelegene Geysirfeld der Welt...


Die senkrechten Wasserdampfsäulen sind im Morgengrauen, kurz nach Sonnenaufgang, am spektakulärsten, noch bevor der Wind den Qualm in alle Richtungen vertreibt. Gegen Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und immer stärker werdende Kopfschmerzen – die ersten Anzeichen der Höhenkrankheit – hilft Coca-Tee, ein Aufguss aus den Blättern der grünen „Heilpflanze“.


Frisch gedopt wandeln wir mehrere Stunden lang zwischen den zischenden Fontänen hindurch, die von unterirdischer Vulkanlava erhitzt werden. Das Kochen und Blubbern aus den dampfenden Wasserspeichern sorgt für Gänsehaut, erst recht, wenn man sich bewusst wird, wie fragil der Untergrund hier an manchen Stellen ist. Beim Stampfen kann man den Hohlraum unter den Füßen förmlich fühlen. Wer zu kräftig stampft oder sich zu nah an die Geysirquellen heran wagt, droht einzubrechen – mehreren Touristen kostete das bereits das Leben.













Weniger gefährlich ist es, sich nach dem Wandelgang direkt neben den Geysiren zu baden. In den heißen Quellen von El Tatio lässt es sich bei knapp zehn Grad Außentemperatur gut aushalten. Auch wenn der ein oder andere unterirdische Lavastoß das Wasser im Schwimmbecken schon mal zum Kochen bringen kann.


Auf dem Weg zurück nach San Pedro sehen wir neben Wüstenfüchsen, Flamingos und Alpacas jede Menge Lamas – die meisten der selten spuckenden Zotteltiere landen später auf dem Grill. Im Wüstenörtchen Machuca brutzeln bei unserer Ankunft bereits ein dutzend Lama-Schaschliks über dem Feuer. Die Atacama-Spezialität ist begehrt, wir sichern uns gerade so den letzten Spieß. Fazit: Schmeckt wie Schwein, nur ein bisschen zäher. Der Hunger treibt´s halt rein, hier, in der trockensten Wüste der Welt.