Es ist die Stadt der in Regenbogenfarben schimmernden Häuser, der graffiti-verzierten Wände, der tausend Treppenstufen und fünfzehn historischen Schienen-Aufzüge. Eine Hafenmetropole, in der sich löchrig gepflasterte Straßen ebenso steil wie kurvig die Hügel hinaufwinden, um Kartographen und Besucher auf eine harte Probe zu stellen. Keine chilenische Stadt versprüht so einen Charme, keine ist so ebenbürtig schön und so anstrengend uneben. Und keine wird so oft fotografiert: 1000 Bilder an einem Wochenende sind eher die Regel als die Ausnahme.
~ Die Stadt der tausend Farben ~
Als Ernesto Che Guevara am 7. März 1952 auf seiner Rundreise durch Südamerika in Valparaíso ankam, hatte er bereits mehrere tausend Kilometer auf seinem Motorrad hinter sich. Für Corinna und mich waren es an diesem Samstagmorgen gerade einmal zwei Stunden Busfahrt. Von Santiago ist die 300.000-Einwohner-Metropole am Pazifik – von den Chilenen kurz „Valpo“ genannt – nur rund 120 Kilometer entfernt. Gleißendes Sonnenlicht legte sich bei unserer Ankunft über die malerisch gefärbte Bucht. Und mit dem Backpack auf dem Rücken bestiegen wir am Busbahnhof einen scheppernden roten Micro-Bus hinauf zum Cerro Alegre.
~ Die Stadt der Hügel ~
Der Künstlerhügel im Herzen Valparaísos mit Blick über die Stadt sollte für zwei Tage unser Heimathafen werden. Von der Casa Kultour aus – dem Hostel von Oliver Schmitt, einem sympathischen deutschen Auswanderer aus Göttingen – erkundeten wir die Stadt. Am Fuße des Berges mit seinem Labyrinth aus Steinstufen befindet sich der Ascensor Concepcíon, der älteste Aufzug Valparaísos. Ende des 19. Jahrhunderts gebaut, helfen die Standseilbahnen seit jeher den Bewohnern die enormen Höhenunterschiede innerhalb der Stadt zu bewältigen. Besser gesagt sie halfen – denn die meisten sind mittlerweile wegen Wartungsarbeiten (oder akuter Absturzgefahr) außer Betrieb. Auch am Ascensor Concepcíon prangt derzeit ein cerrado-Schild.
Durch die enge Gasse Paseo Gervasoni schlenderten wir den Berg hinunter, vorbei am Uhrenturm Reloj Turri in Richtung Plaza Sotomayor. Auf dem Hauptplatz Valparaísos bildete sich gerade eine lange Schlange – aber weder vor dem hellblauen Hauptquartier der chilenischen Marine noch vor dem imposanten Monument für die Seeschlacht von Iquique. Die Rettungskapsel „Fenix 2“ gastierte nach Kurzaufenthalt in Santiago in Valpo. Und hunderte Minero-Fans drängten sich davor, um sich mit ihr fotografieren zu lassen.
~ Die Panorama-Stadt ~
Während unter der sinkenden Oktobersonne im Hafen ein Frachtschiff mit „Hamburg Süd“-Containern beladen wurde, kraxelten wir die beiden südlichen Hügel der Stadt hinauf. Am Cerro Cordillera und Cerro Artilleria sind die Ascensores ebenfalls nur noch schmückendes Beiwerk. Doch die Aussicht von den beiden Gipfeln entschädigt für den Aufstieg: zu Fuß. Ein Meer aus bunt dekorierten Wellblechdächern konkurriert mit den tosenden Wellen des Pazifik. Ein überwältigender Anblick - bei Tag und bei Nacht.
Bereits Chiles Nationalpoeten Pablo Neruda zog dieses Gedicht eines Panoramas ins „Paradiestal“ (so die deutsche Übersetzung von Valparaíso). Seine modernistische Sommerherberge La Sebastiana thront heute – genauso wie in Santiago – als Museum auf dem Cerro Bellavista über der Stadt.
~ Die Hafenstadt ~
Mit deutschem Frühstück (Wurst!) von Oliver und einem Orgelkonzert in der pittoresken anglikanischen Kirche von Valparaíso (Bilder oben) starteten wir in den zweiten Tag. Unser Ziel: Ein Platz in einem der überfüllten Rundfahrt-Holzboote am Hafen. Vor der surrealen Silhouette der Stadt tuckerte die rustikale Karavelle vorbei an grauen Schlachtschiffen der chilenischen Marine, entlang an einer schwimmenden Werft und unter dem Heckruder eines Riesenfrachters hindurch.
Die obligatorischen orangefarbenen Schwimmwesten kamen dabei – wider Erwarten – nicht zum Einsatz. Dafür wurden wir nach der halbstündigen Spritztour ebenso wie unsere Begleitung – das deutsch-irisch-brasilianische „Casa Flaite“-Trio um Gerd aus Leipzig – von Seemannshunger geplagt. Der wurde kurzerhand mit Fisch, Fleisch und Frischgezapftem in einer niederpreisigen Hafenschenke gestillt.
~ Die Stadt der Aufzüge ~
Einige Straßen vom Dock entfernt fanden wir schließlich einen der letzten funktionstüchtigen Aufzüge Valparaísos. Der 1902 erbaute Ascensor Reina Victoria rumpelt im 60-Grad-Winkel 20 Meter in die Höhe. Zusammen mit einer Handvoll Unerschütterlicher quetschten wir uns in eine der beiden maroden Holzkabinen. Und unter bedrohlichem Knarzen schob sich der Wagen auf schwarzen Metallschienen langsam hinauf bis zum Gipfel. 15 Cent für 30 Sekunden Nervenkitzel...
~ Die Vorstadt: Viña del Mar ~
Einen größeren Kontrast kann es nicht geben: Sandstrände, palmengesäumte Boulevards und Hotelhochhäuser reihen sich in Viña del Mar, wenige Kilometer nördlich von Valparaíso, aneinander. Die größte und bekannteste Bademetropole Chiles lockt jedes Jahr hunderttausende Sommerurlauber an – hier sollte unser dreitägiger Wochenendausflug enden. Abgesehen von dem Casino hat die Stadt kulturell nur ein Highlight: eine Osterinsel-Statue, die vor dem Fonck Museum versteinert in den Himmel starrt. Die Figur ist eine der wenigen Moai weltweit außerhalb von Chiles „Isla de Pascua“.
Nach kurzer Stippvisite und einem Blick auf den Zeiger der Blumenuhr Reloj de Flores am Strand von Viña wurde es Zeit zum Anbaden. Als ich vor knapp zwei Jahren an der australischen Ostküste stand und auf den Pazifik blickte, hätte ich nicht gedacht, dass ich irgendwann am anderen Ende des Horizonts ins Wasser springe. Erst recht nicht bei einer Wassertemperatur von 13 Grad. Doch der antarktische Humboldt-Strom und der Wolkenschleier über Chiles Westküste konnten das erfrischend-überwältigende Erlebnis nicht trüben: Dieser Trip ans Meer war eindeutig das bislang beste Wochenende in Chile.
Fantastische Aufnahmen und Reiseberichte. Daumen hoch!
AntwortenLöschenWow, Valparaiso klingt echt gut und sieht super schön aus!!! Toller Bericht und tolle Fotos, weiter so! Da kann man ja nur noch die Daumen drücken, dass ihr wirklich wieder zurück kommt bei den herrlichen Aussichten ;-)
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