Mittwoch, 10. November 2010

El Clásico 2010 – die Wasserschlacht von Santiago


Weiß gegen Blau, Meister gegen Vizemeister, Colo-Colo gegen Universidad de Chile. Es ist DAS Derby im chilenischen Fußball. Wenn die beiden Traditions-Clubs aus Santiago zum Clásico gegeneinander antreten, legt sich der Geruch von Pyro-Feuerwerk über die Hauptstadt. Erst recht, wenn es ein Endspiel ist wie dieses: Vier Spieltage vor Saisonschluss brauchen die Gastgeber von „U“ unbedingt einen Sieg, um sich ihre Titelträume gegenüber den mit sieben Punkten führenden Albos (Colo-Colo) zu bewahren. Beste Bedingungen also für ein legendäres Derby, das wohl als Wasserschlacht von Santiago in die Geschichte eingehen wird.



Strömender Regen ergießt sich über Santiago, als das Spiel der Spiele an diesem Sonntagnachmittag im Estadio Nacional angepfiffen wird. Die Trikots sind nass bis zum Auswringen, doch die 30.000 heißblütigen Hinchas lassen sich davon ihre Stimmung nicht verderben. Einige von ihnen haben stundenlang campiert, um sich ihr Boleto für das Spiel der Dauerrivalen zu sichern. Jetzt brüllen sie sich im frisch renovierten Nacional (WM-Finalstadion von 1962) ihre Euphorie aus dem Leib. Primär-Vokabular: Concha tu madre! (die Übersetzung erspare ich mir an dieser Stelle)


Als die Mannschaften um 16 Uhr einlaufen, begrüßen die Universidad-Anhänger ihr Team mit einer furiosen Choreographie. Hunderte Papierrollen und eine handvoll Rauchbomben tauchen das Stadion zum Anpfiff in weißen Nebel – Corinna, Gerd und ich mittendrin. Doch die Farbe des Gegners soll den Azules, den Blauen, kein Glück bringen. Colo-Colo nutzt bereits die erste Chance in der 6. Minute um mit 1:0 in Führung zu gehen!

Das Freistoßtor durch Esteban Paredes ist mehr als verdient, überlegen zeigt der Tabellenführer in der Anfangsphase seine Dominanz. Doch die Antwort von U. de Chile lässt nicht lange auf sich warten: Ebenso überraschend wie unhaltbar für Colo-Colo-Keeper Fransisco Prieto köpft Juan González in der 14. Minute zum 1:1 ein – und die blaue Kurve brennt im roten Pyro-Feuer.



"Chi-Chi-Chi-Le-Le-Le!" Was auf dem Platz spielerisch geboten wird, stellen die Hinchas beider Lager bei Weitem in den Schatten. Während sich die besten Teams Chiles einen Kick auf Regionalliga-Niveau liefern und mit Blutgrätschen statt mit Fußball-Raffinesse glänzen, peitschen die Anhänger ihre Mannschaften 90 Minuten lang nach vorne. Die Anfeuerungsrufe der gut 2000 Gästefans (mehr wuden zum Derby nicht zugelassen), angetrieben von den legendären Ultras der Garra Blanca (Weiße Kralle), geht im leidenschaftlichen Gesang der Azules fast unter. Und als Universidad de Chile in der 60. Minute durch Matías Rodríguez schließlich sogar 2:1 in Führung geht, steht das ganze Stadion Kopf.


Einige üble Fouls und drei rote Karten später schaut Schiedsrichter Pablo Pozo auf seine Uhr – drei Minuten Nachspielzeit signalisiert der Unparteiische. Drei Minuten, in denen drei sicher geglaubte Punkte für Universidad den Rio Mapocho hinunter fließen sollen. Mit einem Kopfballtor aus eindeutiger Abseitsposition trifft Colo-Colo-Spieler Javier Cámpora in der 92. Minute völlig überraschend zum 2:2-Ausgleich – und lässt alle Träume der Blauen zerplatzen…

Während die Azul-Spieler fassungslos zu Boden sinken, brandet in der schwarz-weißen Kurve grenzenloser Jubel auf. Der Cláscio kennt keine Regeln, und die Wasserschlacht von Santiago an diesem Sonntagnachmittag keinen Gewinner. Aber den Punktgewinn – und damit wohl auch die vorzeitige Meisterschaft – feiern die Colo-Colo-Fans wie einen Sieg.

2 Kommentare:

  1. Das ist ja der pure Wahnsinn! Gut, dass ihr aus dem Schlangengewirr wieder herausgefunden habt. Die Bilder und dein Bericht sind richtig Klasse!
    Viele liebe Grüße

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  2. Was Du schon alles an Fußball, Stadien, etc gesehen hast geht ja fast auf keine "Kühhaut"... Aber ich gönne es Dir von ganzem Herzen. Bei dieser Stimmung sind dann die paar Wassertröpfchen auch egal. Grüsse auch an Corinna. Die Mama.

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