Stille, gespenstische Stille... Es ist Silvester in Ushuaia und die Straßen sind um Mitternacht fast menschenleer. Leise, heimlich und ohne Spektakel begrüßen die Menschen am Ende der Welt das Jahr 2011. Pyrotechnik ist verboten, die Holzhäuser könnten Feuer fangen, heißt es. Zur Abgeschiedenheit hier, in der südlichsten Stadt der Erde, könnte die Stimmung nicht besser passen. Keine Böller, keine Raketen, kein Feuerwerk auf Feuerland...
In unserem Hostel wird trotzdem gefeiert. Mit Blick auf den Hafen von Ushuaia steigt eine große Fiesta samt Asado, Riesen-Rindsteaks vom Grill und Malbec-Rotwein. Zusammen mit Marco und Lorenzo, zwei Backpackern aus Italien, stoßen wir vier Stunden nach deutscher Zeit auf das Jahr 2011 an. Kurz darauf gehen wir auf einen spontanen Streifzug durch die 60.000-Einwohner-Stadt, um den wenigen Seelen, denen wir begegnen ein „Prost Neujahr!“ zuzurufen. Und die Silvesteratmosphäre in den Straßen von Ushuaia in einer authentisch-dokumentarischen Neujahrs-Videobotschaft einzufangen:
Feliz Año Nuevo aus Feuerland! Ein außergewöhnlicher Start ins neue Jahr – an einem außergewöhnlichen Ort. Ushuaia, das heute als Ausgangspunkt für Antarktis-Kreuzfahrten (ab 3000 Dollar aufwärts) dient, strahlt eine mystische Faszination aus. Eingebettet zwischen den Gipfeln der südlichen Andenkordillere und dem Nordufer des Beagle-Kanals, war die 1869 gegründete Stadt lange Zeit eine Strafkolonie. Die Häftlinge bauten sogar die örtliche Kirche auf. Mittlerweile kommen die Besucher jedoch freiwillig um die beeindruckende Natur am äußersten Zipfel des südamerikanischen Kontinents zu erleben. Zum Beispiel bei einem Neujahrsspaziergang an der Bucht von Ushuaia mit einem unterwegs aufgesammelten tierischen Gefährten.
Auf einem Boot geht es für uns tags darauf hinaus auf den Beagle-Kanal, wo rund um den Leuchtturm Les Eclaireurs Seelöwen in der 20 Grad warmen Sommersonne gröhlen. Gleich gegenüber haben sich Kormorane zu hunderten auf einem Felsen versammelt. Und dahinter, am Fuße des Bergpanoramas, schiebt sich wie aus einer anderen Welt ein Riesenkreuzfahrtschiff durchs Bild.
Der Kapitän unseres Mini-Motorboots legt am Ende der vierstündigen Rundfahrt an der Isla Bridges an. Bei einer Wanderung steigen wir hinauf zum höchsten Punkt des kleinen, unbewohnten Eilands, vorbei an moosbegrünten Felsen und von Windböen gebogenem Gras, mit Blick auf die blaugrün schimmernde Lagune – eine überwältigende Kulisse.
Von den Yámana-Indianern, die hier einst lebten und in Kanu-Booten auf Seelöwen-Jagd gingen, sind heute nur noch Spuren übrig. Zurückgelassene Muschelhaufen zeugen von den ehemaligen Behausungen der Ureinwohner Feuerlands, welche sich von den Schalentieren ernährten und den Abfall anschließend einfach vor ihre Hütte warfen. Noch legendärer sind jedoch die Feuer, die sie entzündeten, um sich Tag und Nacht daran zu wärmen. Als Magellan 1520 hier entlang segelte, sah er die Flammen brennen und gab der Insel ihren Namen: Tierra del Fuego, Land des Feuers.
Die meisten der rund 3000 Yámana starben im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts an eingeschleppten Seuchen aus Europa. Doch zumindest der einstige Lebensraum der Ureinwohner ist heute geschützt. Der Nationalpark Feuerland vor den Toren der Stadt beeindruckt durch imposante Gipfelpanoramen, unberührte Wasserlandschaften und die für Feuerland so typischen, vom Sturm zerfegten Wälder. An der Bahia Lapataia brechen wir nach einer Fahrt im Minibus zu einer Wanderung durch den Park auf. Dort, wo die Ruta 3 und die Panamericana nach tausenden Kilometern im Meer enden.
Zurück in der Stadt schlendern wir ein letztes Mal durch die - fast wie in Valparaíso - steil den Berg hinaufführenden Straßen. Zum Abschied besichtigen wir das sternförmig angelegte Gefängnis Ushuaias, in dem bis zum Jahr 1947 zeitgleich fast 800 Häftlinge untergebracht waren. Von den Wänden der beengten Einzelzellen bröckelt mittlerweile der Putz. Eine Ausstellung berichtet dort heute vom Haftleben am Ende der Welt, von berühmt-berüchtigten Insassen und missglückten Ausbruchsversuchen. Die wenigen, denen die Flucht gelang, kehrten bereits nach einigen Tagen ausgehungert und halb erfroren zurück. Von Feuerland gab es damals wie heute keinen Ausweg...
...es sei denn, man besteigt die Fähre hinüber zum anderen Ufer. Unser Schiff über die Magellanstraße heißt Patagonia – und genau dort bringt es uns hin. Mit einer Woche Feuerland, unzählbaren faszinierenden Erfahrungen und Vorfreude auf das nächste Abenteuer im Gepäck legen wir im chilenischen Teil Patagoniens an. Das nächste Ziel bereits vor Augen: Torres del Paine...
Absoluter Traumurlaub. Die Bilder in der Mitte gefallen mir definitiv am besten. ;)
AntwortenLöschenLieber Robert, liebe Corinna, nach langer Zeit melde ich mich hier wieder, um euch zu sagen, dass es uns gut geht und hier Katastrophenalarm ist quasi wegen Hochwasser der Werra. Ich werde Bilder machen und sie schicken. Dein Bericht und die Bilder sind Klasse. Sie werden unvergesslich für euch bleiben. So etwas erlebt nicht jeder. Passt gut auf euch auf. Die anonyme Mama.
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