Freitag, 15. Oktober 2010
Mendoza - Über die Anden nach Argentinien
Vor 518 Jahren, am 12. Oktober 1492, entdeckte Kolumbus Amerika. Die Latinos feiern den Ur-Kolonisator jedes Jahr am 12. Oktober mit dem „Dia de la Raza“ (Kolumbus-Tag). Der wird auch schon mal auf einen Montag vorverlegt, um in den Genuss eines langen Wochenendes zu kommen. So wie in diesem Jahr. Corinna und ich nutzten die Kurzferien, um ebenfalls eine Neue Welt zu entdecken. Unser Ziel: Mendoza, die Weinhauptstadt Argentiniens.
Mit einem Semi-Cama-Bus (Halb-Schlafwagen) ging es am Samstagmorgen auf die andere Seite der Anden. Und schon die insgesamt 340 Kilometer lange Fahrt über das Hochgebirge allein war die Reise wert. Mühsam quälte sich unser Doppelstock-Bus über eine atemberaubende Passstraße die Serpentinen hinauf, entlang an steilen Felsklippen und schneebedeckten Gipfeln, bis auf über 4000 Meter Höhe. Der Grenzposten Los Libertadores liegt unweit des Aconcagua, dem mit fast 7000 Metern höchsten Gipfel Amerikas. Zwei Stunden Wartezeit und zwei Pass-Stempel später hatten wir zum ersten Mal argentinischen Boden unter den Füßen.
Nachdem uns unser „Andesmar“-Bus in der Abenddämmerung am Busterminal in Mendoza abgesetzt hatte, wartete bei der Ankunft im Hostel „Los Andes“ die erste Ernüchterung. Hausmutter Virginia gab uns zu verstehen, dass ihr keine Online-Reservierung vorliegt und der letzte freie Schlafplatz in ihrer Casa ein eigentlich vom Hund okkupiertes Sofa sei. Sie war jedoch so freundlich, uns in der von Touristen überfüllten Pampa-City ein Ersatz-Hotelzimmer im "La Escondita" zu besorgen – inklusive Balkon, Fernseher und Poolblick. Zum dreifachen Preis, versteht sich...
Um das Anden-Hostel-Chaos zu verdauen, gab es an einem Kiosk auf Mendozas Kneipenmeile Villanueva zunächst ein Andes-Bier und danach ein saftiges argentinisches Rindsteak, das seinem delikaten Ruf voll und ganz gerecht wurde und seinen tierischen Ursprung geschmacklich nicht verbergen konnte. Dazu wurde ein 2010er Malbec gereicht. Der fruchtig-rote Argentinier stimmte uns schon mal auf das Highlight unserer Tour ein: eine Rundfahrt über die Weingüter Mendozas.
Die startete morgens bei knapp 30 Grad... Anders als in Santiago ist in der Mendoza das ganze Jahr über Sommer. Die Oasen-Stadt ist deshalb von kleinen Bächen durchzogen, auch die Weingüter in der Maipu-Region werden mit dem ausgeklügelten Bewässerungssystem versorgt. Von der Qualität der guten Tropfen konnten wir uns auf dem Bioweingut Finca Cecchin überzeugen, wo nicht nur die Etiketten noch selbst auf die Flaschen geklebt, sondern auch vorzügliche Weißweine aus der Traube gepresst werden. Mit einer Flasche Moscatel de Alejandria im Gepäck, wurden wir schon in der Olivenölmanufaktur nebenan erwartet. Das versprochene „Glas Öl“ kam dort zwar nicht zur Verkostung, dafür wurden fünf Sorten auf Brotkrumen geträufelt gereicht. Nunja, lecker.
Letzte Station war die Bodega Lopez, die jedes Jahr mehr als 100.000 Liter ihres Traubensafts in alle Welt exportiert. Bei einer Führung durch die riesigen Produktionshallen durften wir zwischen meterhohen Fässern aus französischer Eiche sowohl einen ganz passablen Malbec als auch eine Champagner-Retorte kosten. Einer der mitgereisten Latinos war davon so begeistert – oder betrunken, dass er seine gerade erworbene Weinkiste im Bus einfach fallen ließ.
Mit fruchtigem Bouquet an der Schuhsohle erkundeten wir anschließend die Sehenswürdigkeiten von Mendoza, allen voran die Plaza Independencia im Zentrum der 850.000-Einwohner-Stadt. Der Platz wurde nach einem verheerenden Beben im Jahr 1861 errichtet, um der Bevölkerung als Evakuierungsmöglichkeit zu dienen. Heute ist er vor allem Zufluchtsort für Touristen, die nach einem schattigen Plätzchen suchen, sich eine "Los Andes"-Zeitung kaufen wollen – oder von ihrer Weintour ausnüchtern.
Mehr über die Geschichte des Platzes und die von Mendoza gibt es im Museo del Área Fundacional zu erfahren, das Anfang der 90er über den Ruinen der Altstadt im nordöstlichen Zentrum errichtet wurde. Davor sprudelt der leuchtende Brunnen auf dem Plaza Pedro del Castillo – eines der Wahrzeichen Mendozas. Das eigentliche Postkartenmotiv thront jedoch hoch oben über der City – das Monument auf dem Cerro de la Gloria blickt aus 980 Metern Höhe in Richtung Anden. Als Krönung des ausgiebigen Nachmittagsspaziergangs durch den Parque San Martin chauffierte uns die lebende Taxi-Jogginghose Luis hinauf bis zum Gipfel. Natürlich nicht ohne uns auf der Strecke die besten Aussichtspunkte zu zeigen – und sich danach stolz vor seinem Wagen in Pose zu werfen.
Nach einem großartigen Wochenende führte uns in der Nacht zum Dienstag der Weg zurück über die Anden wieder Richtung Heimat. Versüßt wurde die Rückfahrt im Semi-Cama-Bus durch einen schnarchenden Chilenen hinter uns und ein schreiendes Kleinkind vor uns. Und am Ende der achtstündigen Fahrt ging es für den "City Boy" direkt ins Büro - semi-ausgeschlafen, versteht sich.
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rock'n'roll! dieser weinausflug ist ... wie sag ich es am besten ... beneidenswert :) wie die anderen stationen wohl auch. weiter so! aber das arbeiten nich vergessen...
AntwortenLöschenviele grüße aus dem land der regenwolken!
Wow,
AntwortenLöschenein Bericht ohne das weltbewegende Thema Nr. 1 in Chile ;-)
LG
Michael
Hmm so viel leckeren Wein in Kombination mit Bergen, frischer Luft und Sonne - da wird man doch immer wieder ein bisschen neidisch hier im Herbstlaubverwöhnten Deutschland. Schön, wieder was von euch zu lesen und dass ihr nun doch nicht zu illegalen Einwanderern geworden seid :-)
AntwortenLöschenLG Elisa
Weiter so Robert,vorallem deine vielen Fotos sind echt super.Wußte übrigens gar nicht dass du richtig böse gucken kannst wie auf deinem letzten City-Boy Foto;-).Auch liebe Grüße vom Kay und ich hoffe ihr hört noch fleißig eure zusammengestellten CD`s.
AntwortenLöschenWow, bin beeindruckt. Nun auch dieser Stempel im Reis-e-pass. Die großen Weinflaschen gefallen mir besonders, nur etwas unhandlich beim Einschenken. Herrliche Landschaften in Kombination mit landestypischen Essen und Trinken, Kultur und Esprit... ihr seid echte zu beneiden, wie es Elisa schreibt. Liebe Grüße bekommt ihr heute von den euch liebenden Eltern aus Breitungen. (PS: Die Allgemeinmedizinerin Andrea Zwicker hat eine Rechnung geschickt, ich überweise sie gleich mal. Sie nennt sich Liquidation. Ich war erschrocken. Aber es handelt sich um die Rechnung für die im Juli durchgeführte Schutzimpfung. *Zwinker* )
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