Nachtrennen unter Flutlicht im Club Hipico, Santiagos größter Pferderennbahn. Die klassizistisch-anmutende Tribüne umweht mondänes Flair, doch der Eintritt zu den wöchentlichen Zossen-Events ist frei. Mit pseudo-fachkundigem Blick inspiziert das wettbegeisterte Volk einen Gaul nach dem anderen. Kräftige Hinterläufe, glänzendes Fell, Scheuklappen, Nervosität kurz vor dem Start...? Bei den mitfiebernden Santiaguinos scheint die Anspannung größer als bei den hochgezüchteten Pferden. Ein Volkssport der Städter, ein tierisches Spektakel, diesseits und jenseits der Ränge.
Ein Volkssport auf dem Lande, eine umstrittene Tradition, wird vor den Toren Santiagos gepflegt. Die Sonne glüht über dem Cajón del Maipo, einer Schlucht, die der Rio Maipo in das Gebirge südöstlich der Metropole gegraben hat, als im Örtchen San José die Gauchos ihre Pferde zum samstäglichen Rodeo satteln.
Keine Lassos, keine Gnade. Die in traditioneller Tracht galoppierenden Chilenen treiben - anders als beim US-Rodeo - zu zweit einen Bullen nach dem anderen durch die Arena. Zu dutzenden. Nach Punkten. Bis zur Dämmerung. Und als ein erschöpftes Rind von den Beinen geholt wird, jubelt die Menge. Am Ende stehen zwei Sieger fest. Ihnen winkt lokale Ehre: Dorfprinz, für eine Woche.
...im Club Hipico schreit das Publikum Richtung Zielgerade. Tausende Blicke richten sich auf Tamona. Noch immer in Führung, biegt die Stute auf die letzten Meter. 16 Verfolger schnaufen an ihren Hinterläufen – doch als die Ziellinie näher rückt, schwinden allmählich ihre Kräfte. Diese eine Chance, dieser eine Sieg, nicht an diesem Freitag. Im Dunkel der Licher öffne ich meine Hand. Der kleine weiße Zettel ist zerknüllt.
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