Donnerstag, 1. September 2011

Machu Picchu - die letzte Bastion der Inka, die letzte Station der Reise


Vielleicht war es sein Gespür, etwas ganz Großem auf der Spur zu sein. Vielleicht war es aber auch einfach nur Glück. Als sich Hiram Bingham am 24. Juli 1911 von einem jungen Quechua-Indianer auf einen 2360 Meter hohen Gipfel westlich von Cuzco führen ließ, war er eigentlich auf der Suche nach Vilcabamba, der letzten Bastion der Inka in Zentralperu. Doch nach einem tagelangen Marsch durch den Dschungel traute der US-Archäologe seinen Augen kaum. Bingham stand inmitten einer riesigen, von Pflanzen überwucherten Festung in den Anden. Zu seinen Füßen lagen die Ruinen einer über Jahrhunderte hinweg unentdeckt gebliebenen Inka-Zitadelle – er hatte Machu Picchu entdeckt.


Heute ist die auf einem steil empor ragenden Bergkamm mitten in den Anden erbaute Stadt vom Wildwuchs befreit – und die berühmteste Hinterlassenschaft indigener Kulturen in Südamerika. An keinem anderen Ort werden Aufstieg und Fall eines Indianerreiches so deutlich wie in Machu Picchu. Die Inka – innerhalb von weniger als 200 Jahren von einer unbekannnten Sippe zu einem der mächtigsten Stämme des Kontinents aufgestiegen – verließen die Stadt über den Wolken kurz nach ihrer Fertigstellung um 1450 aus Angst vor den spanischen Eroberern. Doch die verwaiste Bergsiedlung, die aufgrund der sie stets umhüllenden Nebelschwaden dem Himmel näher zu sein scheint als der Erde, wurde von Pizarro & Co. nie entdeckt. Heute zieht es Tausende Besucher täglich auf den Gipfel.



Es ist ein weiter Weg bis hierhin. Wer auf den Spuren Binghams wandelt, quält sich auf dem legendären Inka Trail von Cuzco aus mehrere Tage durch den Regenwald. Angesichts von Motivationsmangel und Titicacasee-Fischvergiftung war daran für uns nie zu denken. Stattdessen entschlossen wir uns für die ebenso beeindruckende Bus-Bahn-Verbindung, die uns von Cuzco über Ollantaytambo bis nach Aguas Calientes führte. „Heißes Wasser“ heißt das 2000 Seelen zählende Dorf mit seinen Heilquellen am Fuß des legendären Gipfels. Die unzähmbaren Fluten des Rio Urubamba tosen durch den kleinen Ort hypnotisch ins Tal.










Der Motor des Busses am Ende der Straße heult bereits vom ewigen auf und ab über die Serpentinenstraße, als nach einer kurzen Nacht im Budget-Hostel der Wecker klingelt. Eine halbe Stunde später stehen wir dort, wo Bingham fast genau 100 Jahre vor uns seinen Blick über die Anden schweifen ließ. Die Steinruinen von Machu Picchu blitzen unter den ersten Sonnenstrahlen des Tages aus dem Nebel hervor – am  Fuße des Zuckerhut-Gipfels Huayna Picchu wirken sie wie eine Fatamorgana…

Die Inka nutzten den terrassenförmig angelegten Ort bis zu ihrer Flucht nur für wenige Jahrzehnte. Uns bleiben an diesem Februarmorgen zumindest einige Stunden, um ihn zu erkunden – zusammen mit Hunderten Pilgern. Jedes Haus, jede Mauer und jeder Stein steckt hier voller Geheimnisse. Bis heute ist über Machu Picchu wenig bekannt. Doch die für damalige Verhältnisse fortschrittliche Architektur und die schwindelerregende Höhe lassen erahnen, welche Meisterleistung in dieser Bergfeste steckt, die zurecht als neues Weltwunder gilt.



Während wir unsere Hände über die Wände von Tempeln und Wohnhäuser gleiten lassen – je wichtiger das Gebäude, umso glatter ist der Stein geschliffen – werden wir von frei laufenden Lamas umringt. Die friedlich grasenden Andeneinwohner gehören zu Machu Picchu wie die Inka Kola – doch anders als in Nordchile oder Bolivien landen sie hier nicht auf dem Teller.


Dort liegt am letzten Tag unserer Reise in Cuzco – der Stadt mit dem weltberühmten zwölfeckigen Stein – eine andere peruanische Spezialität. Das „Cuy“ kommt frisch aus dem Ofen, schmeckt wie gebratenes Hühnchen und wird mit gebackener Kartoffel serviert. Ist lecker, macht aber nicht satt. Nunja, so wie das kleine, halbierte Meerschweinchen vom Teller grinst, hatte es sicher ein freuderfülltes Leben.