Freitag, 31. Dezember 2010

Am Ende der Welt...


3000 Kilometer in drei Tagen. So weit wie Leipzig vom Nordkap, so weit liegt Buenos Aires vom Ende der Welt entfernt. Nach fast 60 Stunden Busfahrt sind wir müde und erschöpft, aber voller unglaublicher Eindrücke genau hier angekommen. Auf Feuerland, in Ushuaia, der südlichsten Stadt des Planeten.

Die Reise hierhin sprengte alle unsere Vorstellungskraft. Erst wer eine solche Fahrt selbst erlebt hat, weiß, was Pampa wirklich bedeutet. Karge Landschaften, Leere und Ödnis soweit das Auge reicht. Hunderte Kilometer immergerader Straßen, die bis zum Horizont von trockenem Buschland und verdörrten Steppen gesäumt sind. Weiter südlich wartet die ebenso unendliche Weite Patagoniens. Und im Osten peitscht der raue Atlantik meterhohe Wellen an die Küste.










Es ist schwer, die Grenzenlosigkeit in Worte zu fassen, die man bei der Tag-und-Nacht-Fahrt von Buenos Aires bis zum südlichsten Zipfel des Kontinents auf der Ruta 3 – Argentiniens Route 66 – erlebt. Während im Doppelstock-Bus eine Kino-DVD nach der anderen läuft, zieht hinter der Fensterscheibe die abenteuerliche Landschaft als surrealer Film vorbei.

Manchmal vergehen Stunden ohne jegliches Zeichen von Zivilisation. Ereignisse lassen sich an einer Hand abzählen: Bei Kilometer 1386 ist ein Lkw mit Reifenschaden liegen geblieben, bei Kilometer 1859 wird die Autobahn zur Schlaglochpiste, bei Kilometer 2442 trabt eine Herde Alpakas über die Straße.

Unsere Zwischenstopps in der Küstenstadt Puerto Madryn, dem Tor nach Patagonien und in Rio Gallegos, der letzten Station vor Feuerland, gaben uns Gelegenheit zum Durchschnaufen, Ausschlafen und Kräfte tanken. Denn die Fährfahrt über die Magellanstraße, die das argentinische Festland von Feuerland trennt, brachte unseren Atem ein weiteres Mal ins Stocken....

La Pampa



Puerto Madryn



 Patagonien


 
Rio Gallegos



Magellanstraße



Feuerland

 

Hier in Ushuaia, unter den schneebedeckten Gipfeln der Cordillera Darwin, auf der argentinischen Seite Feuerlands, werden wir nun Silvester feiern. Und von hier, vom Fin del Mundo, wünschen wir auch Euch einen guten Rutsch ins neue Jahr! Auf dass 2011 mindestens genauso spannend und ereignisreich wird wie 2010 – und für Euch wie für uns das ein oder andere unvergessliche Abenteuer bereithält...

Dienstag, 28. Dezember 2010

Übersetzen nach Uruguay

Am anderen Ende des Horizonts ist nichts. Keine Lichter, kein Ufer. Als unsere Fähre an diesem Montagabend in Richtung Uruguay ablegt, scheint es, als ob das Schiff vom Hafen in Buenos Aires geradewegs auf das Meer zusteuert. Doch das, was dort vor dem weißen Bug hellgrüne Wellen schlägt, ist kein Ozean. Es ist der breiteste Fluss der Welt...


Wie ein riesiger See trennt der Rio de la Plata (River Plate) Uruguay von seinem seelenverwandten Nachbarn Argentinien. Mit einem Buquebus ("Bootbus") quer hinüber zu schiffen, ist nicht nur die einfachste Möglichkeit in die „Schweiz Südamerikas“ überzusetzen, sondern auch die spektakulärste. Vor allem bei Nacht. Die Skyline von Buenos Aires spiegelt sich im Fahrwasser der Fähre - das Lichtermeer der Millionenstadt ist selbst nach einer Stunde noch aus der Ferne zu sehen.



Irgendwann, nach etwa drei Stunden Fahrt, taucht sie dann auf, die Küste Uruguays. Der weiße Leuchtturm der Hafenstadt Colonia del Sacramento, einst das koloniale Zentrum des Landes, begrüßt Reisende bei der Ankunft. Heute ist Montevideo die Hauptstadt Uruguays – und hier sollte unser einwöchiger Vorweihnachts-Trip in den Morgenstunden des 14. Dezember beginnen. Davor stand jedoch noch eine nächtlichen Busfahrt durch das Nichts der uruguayischen Pampa – unter dem sternenklarsten Himmel, den ich je in meinem Leben gesehen habe...


~ Montevideo – Das bessere Buenos Aires ~

Fantastische Sandstrände, beeindruckende Architektur und der höchste Lebensstandard in ganz Südamerika. Es gibt wenige Städte auf dem Kontinent, die so lebenswert sind wie Montevideo. Anders als im lärmenden Buenos Aires fällt es leicht, dem Reiz dieser zurückgelehnten und trotzdem pulsierenden Metropole sofort zu verfallen.


Pferdegespanne galoppieren neben Luxuskarossen über die Straßen, durch welche der Asado-Grillduft von Parrilla-Restaurants weht. Der Mate-Tee – Inbegriff des relaxt-lateinamerikanischen Lifestyles – ist hier noch viel allgegenwärtiger als in Argentinien. Fast jeder Uruguayo trägt eine Thermoskanne unter dem Arm mit sich herum, um sich das heiße Getränk selbst im Sommer bei über 30 Grad einzuflößen.


Die Porteños, die Hauptstadt-Argentinier, zieht es in Scharen zum anderen Ufer. Ein weiterer Grund: Anders als in Buenos Aires kann man an Montevideos Stränden noch baden. Auch uns zog es nach der kräftezehrenden Übernacht-Reise zunächst ans Wasser. Am Playa Verde schliefen wir uns aus, genehmigten uns ein Bad im unendlich wirkenden Rio de la Plata und sahen zum ersten Mal auf unserer Reise die Sonne ins Wasser eintauchen... Die Faszination dieses Naturspektakels lockte uns auch an den kommenden Tagen in den Abendstunden wieder an die Küste, zunächst an den stadtnahen (und daher ziemlich schmutzigen) Playa Pocitos und danach an den traumhaften Playa Marvin mit seiner vorgelagerten Mini-Insel.










Die faszinierende Atmosphäre Montevideos, einer Stadt mit 1,4 Millionen Einwohnern, offenbart sich jedoch erst bei einem Streifzug durch die  Altstadt. Das Zentrum und die koloniale Ciudad Vieja erstrecken sich rund um die Plaza Independencia, an der der berühmte Palacio Salvo wie ein zum Abheben startbereites Raumschiff  105 Meter in den Himmel ragt. Zu den Füßen von Montevideos Wahrzeichen liegt Uruguays größter Held begraben. Freiheitskämpfer General José Gervasio Artigas, der als Statue über den Platz reitet, wurde dort ein unterirdisches Mausoleum spendiert. Seine goldene Urne wird Tag und Nacht von zwei wenig zimperlich wirkenden Soldaten bewacht.



Gleich um die Ecke steht das Teatro Solis, die bekannteste Bühne Uruguays. Unser kulturelles Highlight war jedoch der Besuch des Estadio Centenario, dem Jahrhundert-Stadion, in dem 1930 die erste Fußball-Weltmeisterschaft stattfand. Diese Kultstätte zu betreten und auf den Tribünen zu sitzen, auf denen vor 80 Jahren rund 100.000 Zuschauer miterlebten, wie sich Gastgeber Uruguay mit einem 4:2 im Finale gegen Argentinien zum ersten WM-Titel schoss, hatte etwas absolut Magisches.

Heute ist das Nationalstadion die Heimat der Erstligaclubs Peñarol und Nacional. Da die uruguayische Fußballliga jedoch gerade pausierte, blieb uns ein weiterer Groundhopping-Länderpunkt leider verwehrt. Stattdessen besuchten wir das geniale Museo de Futbol unter der Haupttribüne des Stadions, wo neben dem Final-Ball von 1930 auch die Fußballschuhe und ein blutverziertes Trikot von Uruguays legendärem WM-Stürmer Hector Scarone ausgestellt sind.











Mit der Kopie eines Final-Tickets von 1930 in der Tasche – die erhält jeder Museumsbesucher als Eintrittskarte – machten wir uns auf den Weg Richtung Osten zu unserer nächsten Station: Punta del Este an der uruguayischen Atlantikküste.

~ Punta del Este – Das Monaco Südamerikas ~


Es ist einer der bekanntesten Badeorte in ganz Südamerika. Angeblich gibt es nirgendwo soviel Glanz und Glamour wie in Punta del Este, dem Monaco Uruguays. Shakira, Ralph Lauren und selbst Diego Maradona machen hier Urlaub. Zumindest wurde die Fußball-Legende vor zehn Jahren nach einer Überdosis Kokain mit einem Herzinfarkt ins örtliche Krankenhaus eingeliefert...


Das auf einer Halbinsel gelegene Urlaubsparadies an der Mündung des Rio de la Plata in den Atlantik protzt nur so mit Hotel-Wolkenkratzern, Casinos, einem Surfstrand namens Bikini Beach und einem riesigen Yachthafen. Unser dreitägiger Kurzbesuch passte sich dem luxuriösen Jetset-Flair an. Gleich bei unserer Ankunft wurden wir beim Empanada-Essen von Gewitter unnd Starkregen begrüßt. Zum Glück hatten wir uns in einem Sechs-Bett-Hostel-Zimmer einquartiert, in dem der Genuss alkoholischer Getränke untersagt war. Naja, zumindest theoretisch...


Am nächsten Tag schien zwar nur selten die Sonne, doch der Wind vertrieb wenigstens die dicken Regenwolken. So konnten wir trockenen Fußes an den menschenleeren Stränden Playa Brava und Playa Mansa entlang schlendern, wo sich sonst die Upper Class um die besten Plätze streitet. Am Hafen sichteten wir zwar keine Promis, dafür aber zwei Seelöwen, die scheinbar von der angrenzenden Isla de Lobos geflohen waren und sich nun mit einigen Möwen um die Fischreste eines Marktstandes stritten.


Unser Mittagessen, einen uruguayischen Burger, gab es gleich nebenan. Wenn es neben dem Asado im Land der Gauchos ein Nationalgericht gibt, dann ist es der Chivito – ein kopfgroßesw Mega-Sandwich mit Hähnchen- oder Schweinesteak, mehreren Schichten Salat und jeder Menge Mayonnaise.


Frisch gestärkt waren wir nun bereit für die Besteigung des makaberen Wahrzeichens von Punta del Este: der steinernen Hand. Die fünf Betonfinger von unschätzbarem kulturellen Wert lugen in Strandnähe von Touristen umlagert aus dem Boden. Uns blieb da gar nichts anderes übrig, als uns mit euphorischer Pose vor dem Postkartenmotiv zu verewigen – und uns nach sieben atemberaubenden Tagen mit einem Luftsprung aus Uruguay zu verabschieden.